Begegnungen mit dem Drachen unserer Zeit – und wenn er Corona heißt?
Erschienen am 23. April 2020 in Uncategorized
Das wäre eine interessante Vorstellung. Der Heilige Georg, der Drachentöter, der „Chuck Norris“ unter den katholischen Heiligen, wäre mit dem Problem auch gleich fertig. Ein Hieb, ein Stich – Drache tot.
Hier habe ich schon meine Anfragen an den Patron unseres Verbandes.
Sicher ist es gut ein tatkräftiger und Probleme anpackender Mensch zu sein. Dafür ist uns der Heilige Georg auch ein eindrucksvolles Vorbild.
Doch zurzeit will uns die aktuelle Corona-Situation etwas viel Tieferes lehren. Denn das, was wir sonst tun, geht einfach gerade nicht: Gruppenstunden sind – wenn überhaupt – nur digital möglich, uns als Pfadfinder/Innen real zu treffen und gemeinsam aktiv zu sein, fällt schon seit Wochen aus und persönlich fühle ich mich isoliert, manchmal sogar einsam.
Der Drache, der mir dann begegnet, ist der in mir selbst. Und dann gilt genauso: jetzt eben nicht weglaufen, sondern die Situation erkennen und angemessen reagieren. „Schattenarbeit“ nennt man das – und das ist wirklich eine echte Herausforderung, bei der man viel über sich selbst und das Leben lernen kann.
Vielleicht ist dieser Schatten z.B. ein wertvoller Teil deiner Persönlichkeit, dem du aber bis jetzt noch keine oder zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hast. Dann wäre es auch kein Wunder, dass er sich zu einem kleinen zornigen Drachen in dir entwickelt hat, der dich unruhig und unzufrieden macht. Verständlich auch, dass es nicht schön ist, mit so einem inneren Haustier und wegen Corona zu Hause bleiben zu müssen. Du kannst diesen Drachen aber „ins Visier“ nehmen, indem du ihm einen Namen gibst und ab jetzt sehr aufmerksam mit ihm umgehst.
Dafür braucht es Zeit, viel Zeit, innere Ruhe und vor allem eine liebevolle Grundhaltung. Persönlich nehme ich die Fragen, die dann kommen, mit in die Stille. Es hilft immer auch Gott da drauf schauen zu lassen und meistens verändert sich gerade dann was Entscheidendes. Und nicht zuletzt: Gott kann dir auch über deinen „inneren Drachen“ etwas wichtiges mitteilen wollen, was dein Leben bereichern wird, wenn du zuhörst.
Der Heilige Georg hat der Legende nach den Drachen einfach getötet. Das war damals dran. Die Legende steht auch für eine bestimmte Epoche der Geschichte. Der Drache symbolisiert aber zu allen Zeiten etwas im Menschen. Er steht für Lebenskraft, Energie (Feuer), Spontanität, Kreativität, Weisheit, Ursprünglichkeit, für die Verbindung zwischen Himmel und Erde und für das Geheimnisvolle jeder einzelnen Person. Das sollten wir nicht um-bringen, sondern ins-Leben-bringen. Es ist ein Teil der Schöpfungskraft Gottes, die in uns wirkt.
Ja, wir sind auch als Pfadfinder/Innen in diesen Corona-Zeiten auf uns selbst zurückgeworfen und wir begegnen dem Drachen in uns viel mehr als sonst. Das ist aber gerade die Chance unserer momentanen Zeit, die wir aktiv nutzen sollten. Es könnte eine Zeit sein, in der jede Einzelne/jeder Einzelne sich besser kennen- und verstehen lernt, in der wir mehr in Einklang mit uns selbst kommen und dann später einmal, das was wir tun, mit einer anderen Qualität tun. Denn wir sind schließlich dem Drachen in uns begegnet, haben uns dieser Begegnung gestellt und haben gelernt, dass das Leben noch etwas für uns bereithält, was man nur tief im Inneren finden kann und das geheimnisvoll und wunderbar ist.
Als Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg im Diözesanverband Fulda wünschen wir allen, die zu uns gehören und mit uns verbunden sind einen wunderschönen Georgstag. Wir freuen uns jetzt schon, wenn wir uns nach dieser besonderen Zeit wieder treffen und miteinander unterwegs und aktiv sein können.
Für den Vorstand
Br. Pascal Sommerstorfer ofm, Diözesankurat