Abgesagt. Ein emotionaler Brief.
Erschienen am 22. November 2021 in Diözesanverband
Abgesagt. In der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch darüber hinaus wurde dieses Wort quasi zum Wort des Jahres 2020. Und das war richtig so. Seit Frühling 2020 machen wir als Jugendverbände (fast) alles richtig. Wir haben unsere Lager und Fahrten abgesagt, die wöchentlichen Gruppenstunden eingestellt, die Versammlungen und Konferenzen ins Digitale verlegt. Wir haben uns nicht zurückgezogen oder die Kinder und Jugendlichen sich selbst überlassen. Stattdessen haben wir Ersatzangebote geschaffen, Bastelpakete verteilt, Stunde um Stunde vor den Bildschirmen verbracht, um in Kontakt zu bleiben, haben im Alltag Maske getragen, im Sommer erste Angebote draußen, mit Abstand, ohne Maske und ohne Übernachtung geschaffen. Wir haben Hilfsprojekte gestartet, Hörbücher eingelesen, Videos gedreht und uns aber auch nach außen für die Interessen unserer Kinder und Jugendlichen eingesetzt. Wir haben das Beste aus der Situation gemacht und versucht, unseren Mitgliedern diese Zeit so erträglich wie möglich zu machen.
Dann haben wir uns impfen lassen, sobald wir an der Reihe waren, um diesem ganzen Spuk möglichst gut Einhalt zu gebieten. Und tatsächlich, nachdem die Gruppenstunden schon seit einer Weile wieder liefen – mit Abstand, Test, Maske und draußen versteht sich – konnten im Sommer 2021 auch wieder regionale Sommerlager, Ferienspiele und andere Angebote stattfinden. Überregionale Lager waren und blieben abgesagt, in kleinen Gruppen konnten wir aber ein wenig Normalität genießen. Das regelmäßige Testen wurde zum Preis, den man gerne bezahlte, um Kindern und Jugendlichen, aber auch sich selbst die Tage in der Natur, die Abende am Lagerfeuer und die lang vermisste Gemeinschaft zu ermöglichen.
Gestern hatten wir in Fulda eine Sitzung der Diözesanleitung. Selbstverständlich sind alle geimpft, natürlich haben wir uns trotzdem vorher getestet. Und gestern mussten wir einmal mehr unsere Veranstaltungen absagen. Wir können und wollen niemanden gefährden – weder unsere Kinder und Jugendlichen noch ihre Angehörigen oder die Menschen, die im weiteren Verlauf der Infektionskette stünden. Auch die Weihnachtsfeier, die sich unsere Ehrenamtlichen nach anderthalb Jahren Pandemie besonders verdient hätten, haben wir abgesagt. Das Friedenslicht, das sonst so viele Menschen im Advent verbindet, wird in kleinerem Rahmen verteilt und mutmaßlich weniger Menschen erreichen – obwohl gerade jetzt eine Flamme der Hoffnung so wichtig sein kann. Ob unsere Ausbildungsveranstaltungen der kommenden Zeit stattfinden können, steht in den Sternen.
Und was sollen wir sagen? Wir sind ausgebrannt. Uns fehlt die Energie, uns fehlt das Verständnis. Wieder einmal sind wir es, die sich zurücknehmen, die Veranstaltungen absagen, obwohl sie laut aktueller Verordnung noch erlaubt wären, die auf so viel verzichten, um andere zu schützen. Wieder einmal fühlen wir uns im Stich gelassen – als wir im Sommer auf Lager fahren wollten, waren von Seiten des Landes nicht einmal ausreichend Schnelltests zu bekommen, die Interessen von Kindern und Jugendlichen scheinen seit Beginn der Pandemie zweitrangig und jetzt sind wir wieder an der Stelle, dass wir unsere Angebote absagen müssen. Aus Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Und anderswo finden derweil Karneval, Weihnachtsmärkte, Fußballspiele und andere Großveranstaltungen statt. Bei Inzidenzen vor denen wir noch vor wenigen Monaten Angst hatten, geht das öffentliche Leben weiter, als sei nichts.
Wir sehen nicht mehr ein, dass wir schon wieder diejenigen sind, die ihre Interessen zurückstellen, während andere ohne Impfung und ohne Test am Glühweinstand stehen. Daher haben wir zwei Bitten:
An alle Menschen: Lasst euch impfen und testet euch regelmäßig, mindestens vor dem Kontakt zu mehreren anderen Menschen! Meidet Großveranstaltungen und bleibt zu Hause, wenn ihr Kontakt, auch 2. Grades, zu Infizierten hattet.
An die Politik: Handelt! Macht den Laden dicht! Redet nicht vom Wellenbrecher, setzt ihn um! Wir brauchen eine Perspektive! Wir wollen Weihnachten mit unseren Familien verbringen und danach auch wieder unsere Angebote schaffen können – und das guten Gewissens und nicht in Angst.
Wir als Verband der Kinder- und Jugendarbeit, als Schule der Demokratie und als Ort der non-formalen Bildung, wir brauchen euch jetzt! Wir gehen auf dem Zahnfleisch. Unsere Ehrenamtlichen können nicht mehr.
Nils Gädtke Bruder Pascal Sommerstorfer
Diözesanvorsitzender Diözesankurat